Angeborener einseitiger grauer Star - 22 Jahre später

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Claudia86
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Angeborener einseitiger grauer Star - 22 Jahre später

Beitrag von Claudia86 »

N'Abend miteinander,

ich klicke mich seit gestern Abend fleißig hier durchs Forum und lese eure Beiträge mit großem Interesse. Es ist das erste Mal, dass ich von Kindern lese, die die gleiche angeborene Erkrankung haben wie ich.

Ich bin mit einem einseitigen Katarakt (links) geboren worden und mittlerweile 23 Jahre alt.

Eine Augenerkrankung wurde bei mir im Alter von 6 Monaten festgestellt. Zunächst wurde ein Retinoblastom vermutet, nach einigen Wochen jedoch der Katarakt festgestellt. Lt. Augenarzt war der Katarakt angeboren. Im Alter von 9 Monaten wurde der Katarakt operiert - eine Operation des sofort entstandenen grünen Stars folgte im Alter von 14 Monaten. Ein kleiner Linsenrest musste aufgrund von Verwachsungen im Auge belassen werden. Die sichtbare Pupille im Auge hat von der Form her gewisse Ähnlichkeit mit einer 7 (etwas schwer zu beschreiben), was aber nie Probleme darstellte. Man muss schon sehr genau hinsehen, um das zu erkennen. Dabei habe ich blau-grüne Augen, also unsichtbar ist das Ganze nicht ...

Gleich nach den OPs wurde eine Linsentherapie mit einer künstlichen Linse begonnen, um ein paar Prozente an Sehfähigkeit zu retten. Nach 1,5 Jahren und diversen Problemen damit haben meine Eltern dies glücklicherweise abgebrochen (ich habe mich in dieser Zeit - den Erzählungen nach - von meinen Eltern sehr entfremdet und hinterher Schwierigkeiten damit gehabt, das Vertrauen wieder herzustellen). Gemäß eines Augenarztes, den meine Eltern kurz nach dieser Zeit konsultiert hatten, hätte diese Maßnahme mit der künstlichen Linse ohnehin nur wenig gebracht.

Resultat: Das linke Auge ist nahezu blind (ich sehe Handbewegungen und Farben), aber der kleine Linsenrest hat es mir offenbar ermöglicht, räumlich Sehen zu lernen. Ich durfte mit speziellem Sehtestzertifikat einen normalen Führerschein erwerben und habe keinerlei Einschränkungen im Alltag. Es hat sich eine (wohl familiär bedingte) Kurzsichtigkeit auf dem rechten Auge eingestellt, die sich seit 3 Jahren recht konstant bei -6,25 hält. Das wird durch eine normale Brille korrigiert - links ist ein Ausgleichsglas mit einer ähnlichen Stärke verwendet worden, damit die Augen gleich groß erscheinen.

Im Alter von 11 Jahren wurde eine Schiel-OP am linken Auge vorgenommen. (Das Auge war mit der Zeit immer weiter nach außen "gefallen".) Diese Korrektur wurde sehr gut durchgeführt und hält bis heute. Das Auge "läuft also mit", obwohl es nicht wirklich was sieht.

Im Alter von 14 Jahren kam der grüne Star "wieder" und wird seitdem medikamentös behandelt. Zunächst mit Trisopt (nicht vertragen), dann mit Azopt (für 3 Jahre super vertragen - dann keine Wirksamkeit mehr). Ein kurzes Intermezzo hatte Cosopt, danach folgte Xalatan. Mittlerweile werden Brimozept und Duotrav kombiniert angewendet (auch schon wieder seit 2 Jahren). Damit ist der Druck meist bei 18.

Zu den Ursachen: Familiär ist nichts bekannt. Evtl. hatte meine Mutter in der Schwangerschaft Kontakt mit Röteln, aber nix genaues weiß man ...

Ich hoffe, ich kann mit meiner ganz persönlichen Geschichte einigen Eltern hier ein wenig Mut machen. Auch wenn es gerade am Anfang nicht einfach war, hat sich doch noch vieles zum Guten entwickelt.

Alles Gute für euch und eure Kleinen!

Claudia
luframa
Vielschreiber
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Beitrag von luframa »

hallöchen ;)

ich freue mich jedesmal toooootal, wenn ich von einer erwachsenen person die geschichte lesen kann. so kann man sich selbst oft beruhigen. vielen dank dafür. :lol:
merin
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Beitrag von merin »

Ich danke Dir auch. Wie schön, dass sich alles so gut entwickelt hat.
Was ich nicht verstehe ist: Was war das für eine Therapie mit der künstlichen Linse? Eine Kontaktlinse?
Claudia86
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Beitrag von Claudia86 »

Gute Frage, Merin ... ich glaube, es war schlicht eine Kontaktlinse, wie sie hier auch mehrfach beschrieben wurde. Diese sollte eigentlich bis zu 4 Wochen im Auge verbleiben, hat aber ständig Reizungen verursacht und musste dementsprechend häufig raus und wieder rein.

... Ich kann mich aber auch noch mal genauer schlau machen - habe da echt wenig Ahnung von und die Unterlagen liegen noch irgendwo bei meinen Eltern. Wenn ich Details finde, meld ich mich nochmal hier :)
merin
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Beitrag von merin »

Oh ja, das wäre sicher spannend. Auch was da so eine Entfremdung bewirkt haben soll. Wir kämpfen ja aktuell auch sehr mit den Linsen - ich habe aber nicht das Gefühl, dass es meine Tochter mir entfremdet. Ich finde das wirklich immer schwer zu entscheiden, habe aber das Gefühl, dass sie es bei einfühlsamer Begleitung meistern kann.
Claudia86
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Beitrag von Claudia86 »

So, ich habe mir gestern mal die Unterlagen näher angesehen: Es handelte sich damals um eine "Silikonlinse" - so stand es zumindest in einem Kurzbrief vom Arzt ca. 10.1987, da war ich 16 Monate alt. Näheres ließ sich da nicht mehr wiederfinden.

Zur Entfremdung: Meine Eltern erwähnten, dass die besagte Linse beim allerersten Mal fast 3 Wochen "drinbleiben" konnte, bis es zu einer Reizung kam. Innerhalb von 2 Stunden ist das Auge komplett zugeschwollen und nur der Augenarzt konnte die Linse noch entfernen. Nach dieser ersten Linsenanwendung war die Linse meist nur für einige Stunden im Auge, bis sich die ersten Reizungen (meist aufgrund irgendwelcher kleinen Fremdkörper im Auge) zeigten. Meine Eltern haben sich zeigen lassen, wie die Linse zu entfernen und zu reinigen ist. Die Prozedur war dann meist folgendermaßen (laut Erzählungen): Mein Auge tat weh und ich bin zu meinen Eltern gelaufen. Mein Vater hat mich dann auf seine Knie gesetzt und meine Arme und Beine festgehalten. Meine Mutter hat meinen Kopf zwischen ihre Knie geklemmt und die Linse rausgenommen, gereinigt und möglichst gleich wieder reingesetzt. Ich hab währenddessen nur geschrien. Diese Prozedur wurde also mehrmals am Tag in einem Alter von ca. 17 Monaten bis ca. 36 Monaten angewandt. Ich habe mich irgendwann von meinen Eltern allgemein nur eher widerwillig anfassen lassen und bin bei Schmerzen irgendeiner Art überall hin, nur nicht zu ihnen gegangen.

Ich denke, so eine Linsenanwendung ist immer abzuwägen. Bei beidseitigem grauen Star ist sie natürlich anzuwenden, denn da ist zu retten, was zu retten ist. Bei einseitigem grauen Star liegt die Sache ein wenig anders: Wenn das Tragen der Linse allgemein eher problemlos ist (wie es bei deiner Tochter der Fall zu sein scheint, Merin) und das Herausnehmen und Wiedereinsetzen etwas "getimt" werden kann (also auf abends/morgens bzw. allgemein eher "entspanntere" Zeiten), dann ist das eine gute Sache. Bei mir waren es ja Reizungen während des Tragens, die die Herausnahme mitten am Tag erforderlich machten.

Wenn aber immer wieder Probleme (solche wie bei mir) auftreten sollten, dann sollte klar und schnell hinterfragt werden, wie viel eine solche Linsentherapie bringt und ob da nicht das gesunde Eltern-Kind-Verhältnis vorgehen sollte.

Ich habe heute keine Erinnerung an diese Zeit und kann sagen, dass ich insgesamt eine sehr glückliche Kindheit hatte. Gerade deshalb bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie diese Linsengeschichte nicht fortgeführt haben.
merin
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Beitrag von merin »

Oh weh, das klingt ja furchtbar. Meine Tochter hat auch Silikonlinsen, die immer ein Mal wöchentlich gewechselt werden. Sie verträgt sie zum Glück gut und es gab bislang noch nie Reizungen. Die Vorstellung, wir müssten die (momentan auch echt schlimme) Einsetzprozedur mehrfach täglich vornehmen ist auch furchtbar.

Was mich stutzig macht ist, dass gleich eine so lange Tragezeit angesetzt wurde. 3 Wochen ist echt lang, auch wenn die Linsen (silsoft) für 4 Wochen Tragedauer zugelassen sind. Bei uns war nach einem Tag und dann nach einer Woche Kontrolle und dann auch Wechsel....

Danke für diesen Nachtrag. Wir denken auch, dass falls die Linsen mal nicht mehr vertragen würden, wir auch schaun würden, was als Alternative gehen könnte: Andere Linsensorte, Implantation oder Brille. Hoffen wir, dass es nicht nötig wird. toi toi toi.
Claudia86
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Beitrag von Claudia86 »

Ich drück euch auf jeden Fall die Daumen. :)
Alles Gute!
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