Sprechen über die Einschränkungen

Hier gehört alles hinein, was in den anderen Foren nicht so richtig hinpasst.

Moderatoren: Angela, merin

Mathilda
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Registriert: Donnerstag 1. Mai 2008, 14:20

Beitrag von Mathilda »

Hallo,
wenn ich auf Pauls Handycap angesprochen werde versuche ich zunächst nicht mehr als unbedingt nötig zu erzählen. Wenn z.B. jemand fragt warum er abgeklebt ist sage ich, dass er auf dem einen Auge nicht so gut sieht und es deshalb trainiert werden muss. Wenn die Leute dann sehr mitleidig sind sage ich dazu, dass er prima damit zurechtkommt (was der Wahrheit entpricht). Wenn näheres Intresse besteht erzähle ich auch mehr (sofern mir der Fragende nicht unsympatisch ist) und ganz beeindruckt/erleichtert sind die Leute oft wenn ich sage, dass er auf dem Auge blind war und jetzt Stecknadelköpfe greifen kann oder sowas in der Art.
Wir haben allerdings auch das Glück, dass Paul eigentlich nicht durch die eigentliche Krankheit eingeschränkt ist. Wir sind auch sehr froh darüber, dass er in jeder Hinsicht bisher ein Frühstarter war so dass sich uns nicht die Frage gestellt hat ob sich Krankheitsbedingte Entwicklungsverzögerungen ergeben. Ich kannes so gut verstehen, wenn man sich gedanken macht, weil etwas auf sich warten lässt (gehen, sprechen, puzzeln...) was einen bei einem völlig gesunden Kind kaltlassen würde...

Worüber ich mir Sorgen mache sind die Therapien/Untersuchungen/Operationen und die "ästetische Komponente" (die gesamte linke Gesichtshälfte ist "kleiner" als die rechte, (nicht stark aber insbesondere beim Auge auffällig). Letzteres stört mich natürlich nicht (mein Kind ist natürlich das schönste weit und breit), allerdings mach ich mir oft Sorgen ob er selber das immer so sehen wird... Bisher ist er gut in der Lage seine Intressen zu vertreten. Auch emphinde ich Ihn als "Bindungssicher" was ich als sehr wichtig empfinde.
Die Untersuchungen und Therapien empfinde ich immer wieder als Vertrauensbruch, auch wenn sich das blöd anhört, weil es ja notwendig ist. Es ist so hart zu sehen wie er sich Mühe gibt sich nicht zu wehren oder wie er sich wehrt ...

Meistens kann ich aber tatsächlich das beste Kind von allen (meins) unbeachtet seiner Behinderung genießen.

@Merin vieleicht hilft dir dieses Buch:
Unser Kind ist chronisch krank: Ein Ratgeber für Eltern (24 März 2005) von Jesper Juul und Susanne Lötscher
ich such dir mal den klappentext raus (bin grad am stillen deshalb gehts grad nicht ;-) )
Viele Grüße
Mathilda
merin
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Beitrag von merin »

Danke für Eure Zeilen, Mathildas Worte beschreiben am ehesten meine Gedanken. Gerade das Nachdenken über Vertrauensbrüche kenne ich auch. Dass Juul ein Buch über chronisch kranke Kinder geschrieben hat wusste ich nicht. Ich bin Juul-Fan und werd gleich mal googeln.
Mathilda
Beiträge: 55
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Beitrag von Mathilda »

Hallo merin,
hier der versprochene Klappentext:
Die chronische Krankheit eines Kindes hat Auswirkungen auf die ganze Familie. Für die Beziehung der Eltern oder die Geschwister bleibt häufig wenig Zeit - noch weniger für Erholung und unbeschwertes Zusammensein.
Dabei braucht Ihr Kind nicht nur Fürsorge. Es will mit seinen Stärken gesehen werden. Grenzen erforschen. Eigenverantwortung lernen.

Fragen Sie sich manchmal: Wie sollen wir das alles nur schaffen?

In diesem Buch finden Sie Ermutigung und Entlastung. Die Balance zwischen der Krankheit, den Kindern und Ihren eigenen Bedürfnissen kann gelingen. Doch dafür ist es notwendig, dass Sie auch sich selbst und Ihre Grenzen ernst nehmen. So entstehen wichtige Kraftquellen für die Bewältigung des Alltags.



Ich fand es ganz hilfreich auch wenn das lesen eines Buches natürlich nicht schlagartig das Leben verändern kann.
Liebe Grüße
Mathilda
merin
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Beitrag von merin »

Ich hab den Text auch bei Amazon gelesen. Das klingt ja so, als ziele das Buch auf Familien mit mehreren Kindern. Ist das so, oder bekommen auch Einkindeltern was mit? Magst Du selbst ein bissel was zum Inhalt schreiben?
Eva
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Beitrag von Eva »

Hallo,
ich finde es toll und sehr hilfreich, dass Ihr so offen über Eure Gefühle und Ängste im Zusammenhang mit dem grauen star bei euren Kindern schreibt. Ich erlebe selbst auch ganz viel davon. Ich muss sagen, dass es bei uns großteils gut läuft und mir die Lebensfreude, Lebhaftigkeit und Liebe meines Kindes dabei sehr, sehr viel hilft. Sie ist so ein Sonnenschein, und ich genieße die Zeit mit ihr sehr intensiv (bis auf die Trotzausbrüche, die auch hin und wieder sein müssen :? ) und ich vergesse oft auf ihre Seheinschränkung. Positives kann ich mittlerweile auch dem oft anstrengenden Abkleben abgewinnen: Ich glaube, unsere Beziehung ist auch deswegen so gut und eng, weil ich mir jeden Tag ganz bewusst viel Zeit nehmen muss, um mit ihr zu spielen und sie vom Abkleben abzulenken.
Ein Problem ist aber nach wie vor das Linsenwechseln und es geht mir schlecht dabei, dass ich sie zu etwas zwingen muss, wogegen sie sich sehr heftig wehrt (auch wenn es natürlich nur zu Ihrem Besten ist...).
Ich merke aber schon, dass mich Vorkommnisse, wie ein rotes Auge, ein schwieriger Arztbesuch o.ä. dann doch ziemlich belasten, weil es halt zeigt, dass es durch den Star immer wieder außergewöhnliche Belastungen geben kann. Andererseits kommen Krankheiten oder andere schwierige Phasen ja bei allen, auch sonst gesunden Kindern vor, und man muss sich diesen Schwierigkeiten auch stellen, weil das Leben eben ein Auf und Ab ist.
Sehr gut kenne ich die Zukunftsängste, die Ihr zum Teil beschrieben habt. Wie es weiter geht, sowohl medizinisch, als auch mit ihrem persönlichen Umgang damit. Ich versuche aber, Schritt für Schritt weiter zu machen, mit möglichst positiver Einstellung und dem Vertrauen, dass wir Probleme auch lösen können, so wie wir bis jetzt auch schon viel geschafft haben.

LG
Eva

PS: Danke für den Buchtipp, ich finde die Bücher von Juul auch sehr gut.
merin
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Beitrag von merin »

Ich merke aber schon, dass mich Vorkommnisse, wie ein rotes Auge, ein schwieriger Arztbesuch o.ä. dann doch ziemlich belasten, weil es halt zeigt, dass es durch den Star immer wieder außergewöhnliche Belastungen geben kann. Andererseits kommen Krankheiten oder andere schwierige Phasen ja bei allen, auch sonst gesunden Kindern vor, und man muss sich diesen Schwierigkeiten auch stellen, weil das Leben eben ein Auf und Ab ist.
Das kenne ich auch. Gerade heute waren wir auf dem Spielplatz und ein anderes Kind hat meine Kleine mit Sand beworfen. Sie rieb sich die Augen und weinte wie verrückt. Ich hatte große Angst, dass Sand unter die Linsen käme, die dann, wenn das Auge weh tut, allein rauszunehmen wird wahrscheinlich schwer sein. Es war dann nicht nötig, sie hat den ganzen Sand heraus geweint. Aber diese Situationen der Angst und Unsicherheit, die kommen eben immer mal wieder vor und verunsichern mich. Aber es stimmt auch: Die hat jede Mutter mit jedem Kind.
Sehr gut kenne ich die Zukunftsängste, die Ihr zum Teil beschrieben habt. Wie es weiter geht, sowohl medizinisch, als auch mit ihrem persönlichen Umgang damit. Ich versuche aber, Schritt für Schritt weiter zu machen, mit möglichst positiver Einstellung und dem Vertrauen, dass wir Probleme auch lösen können, so wie wir bis jetzt auch schon viel geschafft haben.
Das fidne ich eine gute Einstellung und so versuche ich es auch.
Mathilda
Beiträge: 55
Registriert: Donnerstag 1. Mai 2008, 14:20

Beitrag von Mathilda »

Hallo,
das Buch geht nicht nur auf die Situationen mit Geschwisterkindern ein. Ich lese gerade nochmal "das kompetente Kind" von Juuls und finde das da im Grunde auch schon alles drinsteht, allerdings wendet er das etwas konkreter auf die Situation mit einem kranken Kind mit entsprechenden Begleiterscheinungen an, was ich persönlich hilfreich fand. Ich habe auch vor das Buch demnächst nochmal zu lesen, weil einem in unterschiedlichen Situationen andere Passagen ansprechen.
Es geht meines Erachtens in der Kernaussage drum das Kind an sich warzunehmen und das Augenmerk nicht zu sehr auf die Behinderung zu halten. Allerdings geht er unter anderem darauf ein wie man mit anderen über die Behinderung redet. Er bringt den Vorschlag je nach dem obs in das Umfeld passt evtl. einen Brief an Verwandte zu schreiben die am werdegang der Behinderung/Vortschritte etc. intressiert sind, und man umgeht so trotzdem das zu einem zu dominaten Thema zu machen. Das ist vieleicht eher für gravierendere Behinderungen von Intresse aber trotzdem intressant.
Das Buch ist nicht sehr dick und lässst sich gut lesen, allerdings finde ich dafür es relativ teuer, so dass es sich eventuell lohnt sich das zuerest in der Bibliothek auszuleihen.
Für mich war es hilfreicht (Paul hat übrigens auch keine Geschister)
Liebe Grüße
Cecilia
Astrid F.
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Registriert: Freitag 21. November 2008, 19:46
Wohnort: Eifel bei Simmerath

Beitrag von Astrid F. »

Hallo

Vielleicht noch eine andere Sichtweise. Ich habe 5 Kinder und davon sind zwei Kinder besonders.
Angelina 16 Jahre Down Syndrom, Astma und Neurodermitis. Mit ihr wohne ich bei Ärzten und in Krankenhäusern. Eine Lungenentzündung jagt die nächste. Aber sie ist liebes fröhliches und wahnsinnig fittes Kind. Die Behinderung merkt man ihr aber an.
Viktoria ist 10 jahre alt und hat beidseitig angeborenen grauen Star. Sie hat ihn von mir. Trotz OP und implantierter Linsen und vielen Versuchen sieht sie immer noch fast nichts. Für die Nähe 10% für die Ferne25%.
Es tut mir bei beiden Kindern wahnsinnig weh, wenn ich sie zu Behandlungen zwingen muß, die meine gesunden Kinder oft ohne Probleme über sich ergehen lassen.
Ich sehe es so. Ich geniese die Tage wo ich keinen Arzt oder Therapeuthen sehen muß. Ich freue mich über alle Fortschritte die sie machen.
Es war ein harter Weg soweit zu kommen und ich habe manche Träne vergossen, aber es geht. Ich finde Angelina ist ungleich schlimmer betroffen, denn bei ihr gibt es keine Hoffnung auf Heilung. Ihre Lungenfunktion nimmt stetig weiter ab.
Viktoria ist ein sehr selbstständiges Mädchen und man merkt es ihr kaum an.
Es gibt schon Unterschiede zwischen meinen beiden besonderen Kindern und den drei anderen. Die drei müssen sich für vieles nicht anstrengen, aber sie haben auch einen ganz anderen Umgang mit ihren Klassenkameraden als viele andere Kinder.


Meine Angst ist auch da, besonders vor der Netzhautablösung, die ich mit 29 Jahren hatte, aber ich versuche es positiv zu sehen.
Man hat nur das eine Leben.
Hoffe es war jetzt nicht zu lang.

Liebe Grüße

Astrid
merin
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Beitrag von merin »

Nein, wieso sollte es zu lang sein. Ich freue mich über alle, die mir hier von ihren Erfahrungen berichten. Wie kommt es, dass Deine Kleine so schlecht sieht?
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