einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Hier kann alles zum einseitigen Katarakt besprochen werden.

Moderatoren: Angela, merin

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Jochen80
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einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Beitrag von Jochen80 »

Hallo

unser Neugeborenes hat auch einseitig einen grauen Star.

Jeder Arzt ist für eine Entfernung der Linse, nur 1-2 meinten es gut zu überlegen wegen der erhöhten Glaukomgefahr und lebenslanger Behandlung. (über 50%). Wenn wir aber zu lange warten bräuchten wir sowieso nicht operieren lassen, da der Erfolg dann nicht gegeben wäre.

Wir sind am Überlegen nicht operieren zu lassen, da vermutlich nur 10-30% Sehkraft erreicht werden kann und das auch nur bei gutem Training etc. - ist zwar immerhin etwas aber Glaukom, Op's etc.... wenn es überhaupt was bringt, kann ja auch schiefgehen durch ständige Behandlungen.
Habe es so verstanden und auch irgendwo auf dieser Seite gelesen, wenn man nichts macht, lernt das Auge nicht zu sehen aber das Kind wird auch nicht ständig zum Arzt müssen.... Autofahren wäre damit auch möglich.

Gerne höre ich Eure Erfahrung und Meinung ...wir müssen uns bald entscheiden da die Ärzte und sämtliche Kliniken zur schnellen Entfernung der getrübten Linse raten.
merin
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Re: einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Beitrag von merin »

Leider hat die Moderatorfunktion mir beim Abtrennen nicht gehorcht. Daher füge ich Glupschs Antwort manuell ein:
Hallo Jochen!

Erstmal herzlich willkommen im Forum! Gut, das Ihr den Weg hierher gefunden habt - auch wenn Ihr Euch natuerlich wuenscht, es waere nie noetig gewesen... Ich kann Euch nachfuehlen, dass Ihr mit der Situation gerade ziemlich ueberfordert seid. Ihr habt fuer Euer Kind eine Diagnose bekommen, von der Ihr bis vor kurzem vermutlich noch gar nicht wusstet, dass es das bei Kindern ueberhaupt gibt, und jetzt sollt Ihr Euch ganz schnell fuer eine OP entscheiden. Schwierig, da immer den Ueberblick zu behalten. Wie alt ist denn Euer Kind jetzt?

Nichtsdestotrotz habe ich eine ziemlich deutliche Meinung zu Eurer Situation, und Du hast ja drum gebeten, also: Bitte lasst Euer Kind operieren! Es stimmt, dass die Prognose fuer das erkrankte Auge bei einseitigem grauen Star nicht so toll sind, weil es immer im Schatten des gesunden Auges steht. Aber auch 10 oder 30% Sehkraft auf dem Auge sind unendlich viel mehr wert als gar nichts zu sehen.

Zum einen ist es wichtig, auch das erkrankte Auge bestmoeglich zu behandeln, denn es kann immer sein, dass Euer Kind spaeter durch einen Unfall oder eine Infektion die Sehkraft auf dem gesunden Auge verliert. Natuerlich passiert sowas nicht staendig, aber es ist auch nicht extrem selten. Sollte - was natuerlich niemand hofft, mal irgendwann so eine Situation eintreten, sieht Euer Kind dann zwar recht schlecht, aber es sieht immerhin noch etwas.

Zum zweiten ist Sehvermoegen auf dem schlechten Auge, selbst wenn es nicht viel ist, zumindest ein Schritt in Richtung raeumliches Sehen. Mit einem Auge ist dies schlichtweg nicht moeglich, das Gehirn braucht dazu beide Augen, um ein 3D-Bild zu konstruieren. Es ist natuerlich schon so, dass bei vielen von uns Starkindern das raeumliche Sehen nur sehr schlecht ausgepraegt ist. Aber selbst ein bisschen 3D-Eindruck ist besser als gar keiner, und die Chance waere zumindest da.

Zum dritten traegt das zweite Auge, auch wenn es keine gestochen scharfen Bilder liefert, entscheidend zum Gesichtsfeld bei. Anatomisch bedingt ist bei einaeugigem Sehen an der Nase Schluss, alles was auf der anderen Seite passiert, bleibt im Verborgenen. Wenn aber das zweite Auge was sieht, dann nimmt es zumindest war, dass sich da z.B. was bewegt hat und man kann den Kopf drehen und genauer hinsehen.

Zu den OP-Folgen: Ja, Ihr habt recht, die Zeit danach wird sicher nicht einfach. Ueber das Leid mit Kontaktlinsen und Abkleben koennt Ihr im Forum mehr als genug lesen. Aber das geht vorbei. Abgeklebt wird nicht ein Leben lang, und die Kontaktlinse wird irgendwann zur Selbstverstaendlichkeit (bzw. es wird irgendwann eine Kunstlinse implantiert). Die Statistik, wie oft es nach der OP zum Glaukom kommt, kenne ich ehrlich gesagt nicht - aus den Beitraegen hier im Forum habe ich aber den Eindruck, dass es eher die Ausnahme als die Regel ist. Und oft laesst sich das auch mit Augentropfen gut in den Griff bekommen, die Sehkraft ist deswegen nicht automatisch futsch.

Bitte überlegt es Euch gut, ob es die Chance auf zumindest einigermaßen sehen auf dem erkrankten Auge nicht doch wert ist.

Alles Gute Euch!
glupsch
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Re: einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Beitrag von glupsch »

Danke für's Verschieben, merin - Jochens Sproessling verdient definitiv einen eigenen Thread!
Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
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merin
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Re: einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Beitrag von merin »

So und nun noch meine Meinung: Ich kann mich hier im Forum an keinen Fall erinnern, in dem ein Arzt gegen die OP plädiert hat. Wenn man nicht operiert ist die Sehkraft auf dem betroffenen Auge verloren, das Kind wird also einäugig- Wie Glupsch schon schrieb, bedeutet das eine Einschränkung des Gesichtsfeldes und meines Erachtens macht es späteres Autofahren unmöglich.
Glupsch hat eigentlich schon alle Argumente benannt, ich mag sie nicht wiederholen. Bei uns war ja klar, dass wir operieren, weil meine Tochter beidseitig betroffen war, aber uns sagte man, dass fast alle Kataraktkinder ein Glaukom entwickelten. Die Sehberatungsstelle hielt das für übertrieben, statistische Zahlen kenne ich nicht. Meine Tochter hat ein Sekundärglaukom und dies zu einer Zeit entwickelt, zu der ich die Gefahr für gebannt hielt. Man kann sich dann natürlich immer noch an jeder möglichen Stelle gegen eine Behandlung und damit für eine Erblindung entscheiden - aber wissentlich und von Beginn an - ich könnte das wohl nicht. Auch wenn die Frage, ob das Kind dann unbeschwerter wäre und die Eltern-Kind-Beziehung weniger belastet, berechtigt ist. Eine schwere Entscheidung.
glupsch
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Re: einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Beitrag von glupsch »

Mit dem Autofahren muss ich merin widersprechen - für den Führerschein reicht in der Tat ein (gutes) Auge.
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Re: einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Beitrag von merin »

Huch, wie kommt das? Ich hatte schon Probleme wegen minimaler Gesichtsfeldeinschränkungen - die dann nur an einer Haarsträhne lagen und bei Testwiederholung weg waren. Und meine einäugige Freundin durfte auch nicht fahren.

hab mal gegoogelt und gleich einen Treffer gehabt:
Mit mit dem Zweiten sieht man besser: Laut Führerscheinrichtlinie darf deshalb, wer einen Führerschein haben will, auf keinem seiner Augen eine Sehschärfe unter 0,1 aufweisen.
Quelle: http://www.n-tv.de/ratgeber/Darf-man-ha ... 51726.html
glupsch
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Re: einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Beitrag von glupsch »

Hier stehen die Anforderungen im Einzelnen drin: http://www.gesetze-im-internet.de/fev_2 ... age_6.html

edit: Es macht einen Unterschied, um welche Fuehrerscheinklasse es geht. Auto (bis 3,5t, Klasse B) geht einaeugig, LKW (ueber 3,5t, Klasse C) nicht. Da haette ntv ruhig etwas genauer berichten koennen.
Zuletzt geändert von glupsch am Dienstag 15. September 2015, 12:26, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Beitrag von merin »

Dann hat sich das offenbar geändert, mein Link ist von 2012 und meine Freundin wollte ihren Führerschein vor fast 20 Jahren machen. Da es sich möglicherweise wieder ändert, würde ich mich für mein Kind nicht drauf verlassen. Aber ob man in 18 Jahren noch Führerscheine braucht, ist ja eh unklar.

Danke auf jeden Fall für die Nachhilfe!
glupsch
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Re: einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Beitrag von glupsch »

Nichts zu danken :) Und Du hast recht, die gesetzlichen Voraussetzungen koennen sich aendern. Oder die Voraussetzungen aendern sich, weil man in ein anderes Land zieht.

Ich hatte einen Kunstlehrer, des als Kind beim Spielen ein Auge verloren hat (Stock reingerammt, glaube ich). Der kam definitiv mit dem Auto zur Schule.
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glupsch
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Re: einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Beitrag von glupsch »

Mir ist noch was eingefallen, weil merin oben die Eltern-Kind-Beziehung angesprochen hat. Mir ist da absolut nicht klar, dass es in der Hinsicht langfristig besser ist, sich die Behandlung zu ersparen. Mal hypothetisch angenommen, ich sähe auf einem Auge nichts, wüsste aber, dass das anders sein könnte, wenn meine Eltern nicht den "bequemen" Weg gewählt hätten. Ich weiß es nicht, wie ich dann empfinden würde. Es ist aber zumindest eine Konstellation, die viel Konfliktpotenzial birgt.
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merin
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Re: einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Beitrag von merin »

Das in jedem Fall. Gerade wenn es zu dem hier als Möglichkeit benannten Unfall kommt und das zweite Auge geschädigt wird... Hier müsste man wohl auch auf die Ressourcen der Familie schauen. Ich selbst würde wohl immer versuchen, mir möglichst viel Hilfe und Entlastung zu suchen - und dann zu operieren. Weil eben "Chance der Erblindung" gegen "sichere Erblindung" des einen Auges gegeneinander steht. Und da würde ich immer die Chance nehmen, auch wenn es bedeutet, sich mit Okklusion rumschlagen zu müssen.
Lilly
Vielschreiber
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Re: einseitige Katarakt - OP ja oder nein?

Beitrag von Lilly »

Hallo Jochen!

Ich kann mich Glupsch und Merin nur anschließen.

Und als Mama mit Baby mit einseitigem Katarakt noch das von mir:
Ich weiß so eine Nachricht ist schrecklich. Uns hat es damals auch aus heiterem Himmel getroffen. Und klar ist es nicht immer einfach mit der KL und dem Abkleben. Unsere Kleine wurde im Alter von 5 Wochen operiert. Uns sagte man es sei üblich (nach irgendwelchen Standards) im Alter von 4 - 6 Wochen. Da sie vorher sowieso die meiste Zeit schlafen, kann man sie noch ein bisschen größer und reifer wachsen lassen bis zur OP. Die OP selber dauert normalerweise nicht lange. Bei uns waren es mit Narkose einleiten bis wir sie im Aufwachraum wieder sehen konnten knapp 2 Stunden. Am meisten Angst hatte ich vor der Narkose. Aber dank sehr guter, erfahrene Leute und auf Babies und Kinder spezialisiertes Narkoseteam lief alles glatt. (Bei Erwachsenen ist die Katarakt OP mittlerweile eine der am häufigsten durchgeführten OP's). Insgesamt waren wir nicht mal 3 Tage im Krankenhaus; 1. Tag Aufnahme auf der Station, Aufklärungsgespräch über OP und Narkose, 2. Tag morgens OP, 3. Tag in der Früh Kontrolle und Entlassung. Am 4. Tag Kontrolle beim niedergelassenen Augenarzt und ausmessen für die erste KL. Ca. 2 Wochen lang noch mehrmals täglich Tropfen ins Auge um Entzündungen vorzubeugen und in kurzen Abständen zur Kontrolle beim Arzt nur um ganz sicher zu gehen (vor allem, weil die erste Linse 4 Wochen am Stück im Auge war). Wir haben ihn auch an den Weihnachtsfeiertagen gesehen, er ist sehr engagiert und hat Geduld mit unserer Kleinen. Sie musste daher auch nie für irgendeine Untersuchung in Narkose. Bisher gab es auch keinerlei Komplikationen; keine Entzündungen, Druckprobleme oder ähnliches.

Die Kleine ist jetzt schon 11 Monate alt und sie entwickelt sich ganz normal. Und das obwohl sie täglich die halbe Wachzeit abgeklebt ist. Sie ist unser erstes Kind, von daher kann ich mir die Zeit nehmen und sie beschäftigen, damit das Pflaster nicht abgemacht wird. Bisher lief es prima. Also kann es nur schlimmer werden :)

Zur Sehentwicklung muss ich sagen: ich bin immer wieder erstaunt wie gut sie mit dem Auge sehen kann. Und das auch wenn die KL mal rauskullert wenn sie abgeklebt ist. Wenn sie sich einigermaßen im Raum auskennt, krabbelt sie drauf los wie immer. Sie schielt ein wenig. Damit müssen wir wahrscheinlich leben außer wir würden es operieren lassen.
Ich GLAUBE, dass bei einem blinden Auge, das Auge immer hin und her wandert um ein Bild zu finden. Zumindest hab ich das so gesehen. Das ist aus "kosmetischen Gründen" vielleicht auch zu bedenken.

- Eine Ärztin im KH sagte, sie kenne bisher NUR 1 Kind das mit dem betroffenen Auge lesen kann, was es nur kann, weil die Mutter immer "dahinter war". Also durch Konsequenz beim Abkleben etc.
- Dann kenne ich noch eine Frau, etwa Ende 30, die selber betroffen ist. Das war mir nie aufgefallen, das da was am Auge wäre. Sie wurde erst als Kleinkind, ich glaube so mit 1,5 oder 2-jährig operiert. Ob die Katarakt schon vorher da war, weiß sie nicht, sie denkt aber schon. Also ist nicht alles optimal verlaufen und sie sieht auf dem betroffenen Auge "nur noch" 30 %, es war aber auch besser. 3D kann sie nicht sehen. Und sie sagte, dass sie ihrer Mutter sehr sehr dankbar ist, dass sie das mit dem Abkleben durch gezogen hat. Auch wenn es für sie damals nicht angenehm war.
- Und die LowVision Beraterin sagt, sie kennt durchaus Kataraktkinder, die mit dem Auge lesen können.
Also es gibt auch bessere Sehentwicklung als nur 10 - 30 %. Die OP ist nur der erste Schritt, damit das Sehen überhaupt möglich wird.

Da ich eure familiäre Situation nicht kenne, wieviel Unterstützung etc ihr habt kann ich nur von uns sprechen; wir würden es immer wieder tun. Auch wenn ich noch nicht weiß, was am Ende raus kommt. Etwas sehen ist besser als gar nichts. Und selbst wenn alles schief laufen sollte, so haben wir wenigstens alles getan was wir konnten.

Falls du noch Fragen hast, kannst du dich gerne melden.

Liebe Grüße aus Österreich, viel Kraft und alles Gute!
Lilly
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