Bewusstsein des anderen Sehens

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merin
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Bewusstsein des anderen Sehens

Beitrag von merin »

Hallo,

meine Tochter (T.) ist ja nun 4. Sie wird größer und versteht teilweise schon erstaunlich viele Zusammenhänge. Einige von Euch haben ja schon ältere Kidner oder auch selbst grauen Star und ich frage mich grad, ab welchem Alter ungefähr, den Kindern bewusst wird, dass sie anders sehen als andere und wie ich meine T. gut dabei begleiten kann. Aktuell ist das für sie scheinbar kein Thema, aber ich kann mir vorstellen, dass es sie irgendwann wütend und traurig macht, wenn sie merkt, dass sie da etwas nicht kann, was viele andere können. Ich wäre dann gern vorbereitet und hätte Ideen davon, was sie wohl brauchen könnte. Mag jemand darüber berichten?
Elli02
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Beitrag von Elli02 »

Hallo merin,
wisst ihr denn, wie gut sie sehen kann ? Vielleicht ist der Unterschied ja gar nicht so groß ?!

Ich bin selber auch betroffen und natürlich habe ich irgendwann bemerkt, dass andere Dinge erkennen können, die ich nicht oder nur unscharf sehen kann - in erster Linie in der Entfernung.
Klar kann das auch mal traurig machen. Aber ich denke, dass es auch bei gesunden Augen Unterschiede geben kann.

Und jeder kann doch etwas anderes gut oder nicht so gut.
Soooo beeinträchtigt fühle ich mich nun auch nicht (sehe ca. 70 %) - das ist irgendwie so, als wenn einer eben schneller laufen kann als der andere oder besser schwimmen oder lesen oder Fußball spielen... Da könnte man doch auch traurig oder wütend werden. Es wird eine Menge geben, die euer Kind besser kann, als andere.
Wenn es für sie zum Thema wird, erkläre ihr vielleicht einfach, dass ihre Augen halt nicht so "gut" sind, aber andere eben nicht so geschickt sind, oder nicht so lustige Witze machen können, oder, oder, oder...
Wenn man es als Eigenschaft sieht, macht es weniger wütend, als wenn man es immer als Krankheit bzw. "Unglück" sieht.

Elli
Zuletzt geändert von Elli02 am Dienstag 28. Februar 2012, 15:17, insgesamt 1-mal geändert.
merin
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Beitrag von merin »

Danke für Deine Gedanken.

Sie sieht angeblich aktuell 50 bis 60%. Ich frage mich eben auch, ob dieses "das ist eben eine Eigenschaft, wie ich nicht so gut rennen kann" wirklich hilfreich ist. Für mich ist das einfach eine Lüge. Vergleicbbar fände ich, wenn ich eine Einschränkung hätte, die es mir auch bei viel Training nicht erlauben würde, schnell zu laufen. Ich habe die Befürchtung, dass ich meiner Tochter meine Sicht auf das Handycap überstülpen könnte, egal ob das nun "auweia ganz schlimm" oder "naja ist doch nicht soo schlimm" ist. Denn nur sie kann ja entscheiden, ob es eher das eine oder eher das andere ist (und wahrscheinlich ja was dazwischen).

Weißt Du, ich habe ja die Möglichkeit Fußball zu trainieren. Aber sehen trainieren - das wird im Fall von angeborenem grauen Star wohl nicht so viel bringen, oder?

Auch weiß ich nicht, wie stark denn der Unterschied ist zwischen meinen mit Brille 120% (das ist für mich normal) und Ts 60% mit Brille und in idealem Abstand.
Angela
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Beitrag von Angela »

Hi,

ich muß sagen, dass ich erst sehr spät ein irgendwie geartetes Bewußtsein für mein Sehen entwickelt habe. Ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht und meinte, dass es normal sei, wie ich eben sehe. Bin erst im Teeniealter dahinter gekommen, dass ich schlechter sehe als andere, was mich aber nie gestört hat, da ich ja zurecht kam. Viel schlimmer fand ich meine Brille. Die war für mich ein Problem. Aber da ich sie brauchte, sie also zu mir gehörte, mußte ich eben auch damit umgehen.

Ich könnte mir vorstellen, dass Du Dir da zu viele Gedanken macht. So wie Du eben 120 % siehst, sehe ich z. B. nur noch ca. 30 %. Ich war total geschockt, als mir das eröffnet wurde, denn es waren mal 80 % (Gehe daher auch bald zum Arzt.). Aber, subjektiv finde ich gar nicht bzw. nur ganz selten, dass ich schlechter sehe.

Ganz selten vergleiche ich mal mit meinem Mann, ob er was erkennt, was ich eben nicht sehe. Das stellt für mich aber kein Problem dar, ist eben so....

Will sagen, ich weiß zwar, dass ich nicht so gut sehe wie andere (und dieses Bewußtsein habe ich eher spät entwickelt), da es aber nun mal so ist und ich es nicht anders kenne (und im Leben ohne Probleme zurechtkomme), ist es eben auch normal für mich.

Hoffe, das klingt irgendwie logisch.

Guten Rutsch!

Angela
Elli02
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Beitrag von Elli02 »

Hallo merin,
klar, trainieren kann man einiges - aber jedem sind doch irgendwo natürliche Grenzen gesetzt in Form von nicht vorhandenen Talenten bzw. Begabungen.
So richtig weiß man ja nicht, was einem sehtehnisch entgeht.
Man merkt zwar, dass andere z.B. Schilder aus größerer Entfernung sehen können oder minikleine Dinge besser wieder finden. Aber eine Vorstellung davon, wie das Sehen der anderen ist, kann man sich ja nicht wirklich machen.
Unser Sohn meckert, wenn wir die Linsen zum Reinigen herausnehmen und behauptet, er könne dann gar nicht mehr sehen. Ich sage ihm dann aber, dass ich ziemlich sicher weiß, wie gut er noch gucken kann... aber ich weiß eben auch, wo dann die Schwierigkeiten liegen (z.B. im Schwimmbad Stufen wahrzunehmen...)

Vielleicht machst du dir einfach zu viele Sorgen.
50-60% sind mit 4 Jahren prima - da ist sicher noch mehr drin.

Unser Sohn geht nun zur Schule und ich bemerke keine Unterschiede zu den anderen Kindern - jedes hat irgendwelche Stärken und Schwächen, da fällt er mit dem angeborenen grauen Star nicht gesondert aus der Reihe. Gut, er hat noch Kontaktlinsen, das ist aber auch schon alles.

Hab Vertrauen, es wird sicher gut laufen.
Gruß, Elli


Edit: "Überstülpen" tun wir den Kindern doch Vieles - einfach, weil sie unser Leben lange teilen müssen.
Wenn dir bewusst, ist, dass sie keine gesunden Augen hat, es ihr aber nicht immer klar machst, wird sie ihren eigenen Umgang damit finden.
Zuletzt geändert von Elli02 am Dienstag 28. Februar 2012, 15:17, insgesamt 1-mal geändert.
Angela
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Beitrag von Angela »

PS: Mein Optiker hat, als er mir sagte, wie schlecht ich sehe, gemeint, dass ich trotzdem so gut zurechtkommen würde, weil ich Vieles aus Gewohnheit interpretiere. Er meint, dass dies, vor allem z. B. beim Lesen, geht, wenn man seinen Augen viel Futter gibt (in dem Fall, wenn man viel liest) - insofern ist Training offenbar eine sehr gute Sache, aber man sollte es nicht so bewußt machen, sondern den Augen einfach viel anbieten. Meine Eltern haben den Grauen Star kaum thematisiert, aber das war vielleicht gerade richtig, denn ich bin nie mit dem Bewußtsein an irgendetwas herangegangen, dass ich das vielleicht wegen meiner Augen nicht könnte. Ich habe immer alles probiert oder probieren wollen (manchmal rieten mir die Ärzte ab, z. B. beim Bungeejumping.... :-D ).

Wir problematisieren das Thema auch nicht. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns jemals gefragt hätten, ob die Kinder etwas wegen der Augen können oder auch nicht. Natürlich müssen sie vorn sitzen in der Schule, aber sie wissen mittlerweile auch, dass sie schlechter sehen als andere und fertig. Das ist für sie überhaupt kein Problem. Und sie werden vielleicht auch noch die Erfahrung machen, dass sie evtl. mal auf Grenzen stoßen, z. B. bei der Berufswahl oder wenn sie den Führerschein machen wollen. Das ist dann ärgerlich, ist mir ja selbst auch passiert, aber so ist es eben. Eine Bekannte von mir konnte eine Ausbildung wegen ihres Heuschnupfens nicht machen. Sie war sehr traurig, aber das Leben geht weiter. Man stößt dabei halt auch auf Grenzen.

Überproblematisieren würde ich das Ganze halt nicht.
Silvia
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Beitrag von Silvia »

Ich sehe ja auch nur zwischen 60 - 80% in der Ferne (die meisten Erwachsenen sehen mehr als 100%) , während der Schulzeit unter 60% (weil die Optiker + Ärzte die Kurzsichtigkeit seinerzeit nicht ausgleichen wollten - dann würde sie schneller voranschreiten). Ich hatte 0 Bewusstsein dafür, dass ich weniger sehe, bis ich Teenager war. Das Bewusstsein kam erst dann, als ich in den naturwissenschaftl. Fächern (Physik, Chemie, Mathe) nicht so schnell wie die anderen mitkam bzw. nacharbeiten musste, weil ich nie direkt von der Tafel abschreiben konnte. Ich schrieb immer im Nachhinein von meinem jeweiligen Sitznachbarn ab und arbeitete den Stoff nachmittags zu Hause nach (oder eben nicht u. war dann nicht ganz so gut :-) . In den sprachlichen Fächern kam ich problemlos mit (schrieb direkt vom Hören mit). Bewusst war es mir nicht, und es wussten auch meine Eltern nicht, dass ich durch das weniger-Sehen etwas mehr Probleme hatte in der Schule mit der Tafel. Wenn ich es mir recht überlege ist es mir eigentlich auch erst nach der Schulzeit bewusst geworden.

Sehe es auch so, dass ich das nicht wirklich problematisieren werde. Lisa wird es bewusst werden oder eben auch erst später.
merin
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Beitrag von merin »

Danke für Eure Anregungen. Ich habe nicht vor, das Thema von mir aus aufs Tapet zu bringen - es ist ja wegen der Augenkontrollen eh immer präsent. Allerdings weiß ich, dass ich es schon hilfreich gefunden hätte, wenn man mir mit meinem Sehen besser geholfen hätte. Ich hatte keine Sportbrile und habe daher immer in Sport und Schwimmen Probleme gehabt. Besonders bei Mannschaftsspielen, weil ich nie erkannte, wer in meiner Mannschaft war... Hätte da mal jemand gesagt: "Mensch, Du brauchst ne Sportbrille!" Oder "Wir verteilen rote Schärpen an Deine Mannschaft" dann hätte mir das viel Spott und Selbstzweifel erspart... Aber ich bin erst jetzt, als mein Mann mir von ähnlichen Problemen berichtete darauf gekommen, dass es daran lag, dass ich keine Brille hatte (für ihn war das total klar, weil er Leistungssport betrieb und wusste, dass er es eigentlich kann, was bei mir nicht so war).
Angela
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Beitrag von Angela »

Hi, also an solche Probleme erinnere ich mich auch. Aber, eine Sportbrille war nicht drin - ich hatte ja nur die dicke Starbrille. Die trug ich im Sport. Beim Schwimmen war es aber tatsächlich schwierig. Das stimmt. Aber, wie Du siehst, habe ich das offenbar hingenommen und kann mich jetzt eigentlich nur erinnern, weil Du davon berichtest. :-)

Schönes neues Jahr noch!

Angela
Silvia
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Beitrag von Silvia »

Mmmh, ich hab immer meine Brille in Sport angelassen. Hatte nie ne Sportbrille. Hätte ich aber auch nie angezogen, wär mir viel zu peinlich gewesen. Ich wollte ja nicht auffallen, gerade als Teenie nicht.

Also ich lass bei allem meine normale Brille auf - war sie mal verbogen - Optiker. Schwimmen, Duschen, Sporttreiben (könnt ich garnicht anders).

Und das mach ich bei Lisa genauso. Wie gesagt - sie trägt ihre Brille immer - beim Schwimmen, Rennen, Toben, Takka Tukka Land (=> viele Hüpfburgen, Klettergerüste und Trampolins) - u. wenn die Brille mal verbogen sein sollte - Optiker. Als wir 1 Tag vor Silvester so ein Hüpfburgenparadies besuchten, hat Lisa von sich aus mir 1x die Brille in die Hand gedrückt, ich sollte sie auf einer sehr belebten Hüpfburg mal halten, dann hat sie sie aber wieder permanent angehabt.

Mit 50 - 60 % Sehfähigkeit kannst du deine Mannschaftskollegen schon erkennen. Man ist halt etwas langsamer in der Reaktion und vielleicht nicht das Sport-Ass. Aber Frustrationstoleranz muss man ja auch kriegen. Irgendwas kann man immer schlechter als andere. Sollte Lisa wesentlich schlechter sehen u. es ihr definitiv Probleme bereiten, würde ich mit ihrer Sportlehrerin sprechen. Aber lieber als absolute Ausnahme.
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